Enjoy Jazz: Ornette Coleman
Ich gebe zu, es ging mit etwas gemischten Gefühlen ins Konzert.
Einerseits gehört Ornette Colemans Meisterwerk "The Shape Of Jazz To Come" erstaunlich konstant zu meinen Top Ten der Jazz-Platten seit Jahren. Andererseits hatte ich Coleman vor 10 Jahren das erste und bislang letzte mal live beim Freiburger Zeltfestival gehört...und war damals eher enttäuscht. Coleman mit reichlich E-Gitarrengeschrammel und einem lauten Denardo am Schlagzeug. Was mochte also der Abend am 14.10. im Feierabendhaus der BASF in Ludwigshafen bringen? Zunächst einmal ein typisch untypisches Jazz-Ambiente - das Feierabendhaus ist eigentlich ein Konzertsaal für klassische Konzerte... nun ja - der 75-jährige Coleman ist auf seine Art ein Klassiker.
Der Klassiker kam mit einer ungewöhnlichen Besetzung. Coleman an Sax, Trompete und Violine steht gleich zwei Bassisten gegenüber und vor seinem Sohn der das Schlagzeug traktiert. Schon vor dem Konzert darf man feststellen, daß Denardo Coleman mit seinem Schlagzeug hinter einer schallisolierenden Plexiglas-Wand eingesperrt ist. Beruhigend, der Schlagzeug-Feind lehnt sich zurück. Die Furcht vor Denardo stellt sich im Verlauf des Konzerts aber als unbegründet heraus.
Die Hälfte des mäßig sachkundigen Publikums beklatscht den zufälligerweise daher kommenden Manager Ornette Colemans aber kurz darauf kommt der echte Coleman tatsächlich auf die Bühne. Er wirkt ein wenig fragil, altersdünn. Freundlich, gutgelaunt. Begrüßung und Ansage sind leider ins Mikrophon gehaucht oder schlicht nicht gescheit ausgesteuert.
Spannung bevor Coleman zum Altsax greift ...und Entspannung: ja, das ist der alte Coleman. Ein persönlicher Saxophonsound und eine Phrasierung die einmalig ist. So klingt kein anderer Saxofonist, vielleicht will kein anderer so spielen. Ein Personalstil, das Merkmal der wenigen, großen Jazzmusiker. Einer der Ender der 50er Jahre stilbildend war und im Jahr 2005 noch oder wieder der alte Coleman ist.
Natürlich spielen ihm die Lippen gelegentlich einen Streich und gelegentlich hört man eine Idee im Ansatz, die aus physischen Gründen nicht mehr wie gedacht verwirklicht werden kann. Aber selbst in diesem Fall hört man den Meister: blitzschnelles reagieren auf den ungewollten Kiekser oder dreckig getroffenen Ton. Und die Beschränkung auf das Machbare, das immer noch tausendmal origineller ist als alles was 90% der lebenden Saxophonisten aus ihren Instrumenten herauswürgen.
Die ungewöhnliche Besetzung mit zwei Bässen und das angenehm gedämpfte Schlagzeug schaffen den Background, der schon Ende der 50er Jahre Grundlage des Ornette Coleman Quartets war. Freie Linien, aufgebrochene Rhythmen. Fast etwas unauffällig aber für den Gruppen-Sound wichtig ist der meist gestrichene Bass von Tony Falanga. Greg Cohen dagegen spielt virtuos und erinnert sehr an den Originalbassisten von damals, Charlie Haden (der in anderer Formation noch bei Enjoy Jazz zu hören sein wird), mit seinen alerten, fast nervös wirkenden Basslinien. Er treibt zusammen mit Jung-Coleman am Schlagzeug die Musik voran und brilliert in seinen freien Soli mit Tempo, Witz und Entschlossenheit.
Der besondere Charme von Colemans Musik ist die Balance von Freiheit und Geschlossenheit. Vielleicht sollte man eher Freiheit und Schönheit sagen, denn nichts anderes schafft Coleman als Solist und als Alchimist des Quartetts.
PS: Für nächstes Jahr wünsche ich mir nun noch Sonny Rollins. Bitte.
Einige weitere Fotos vom Konzert
Das Urheberrecht an allen Fotos liegt bei Frank Schindelbeck
Kommentare bitte hier:
Einerseits gehört Ornette Colemans Meisterwerk "The Shape Of Jazz To Come" erstaunlich konstant zu meinen Top Ten der Jazz-Platten seit Jahren. Andererseits hatte ich Coleman vor 10 Jahren das erste und bislang letzte mal live beim Freiburger Zeltfestival gehört...und war damals eher enttäuscht. Coleman mit reichlich E-Gitarrengeschrammel und einem lauten Denardo am Schlagzeug. Was mochte also der Abend am 14.10. im Feierabendhaus der BASF in Ludwigshafen bringen? Zunächst einmal ein typisch untypisches Jazz-Ambiente - das Feierabendhaus ist eigentlich ein Konzertsaal für klassische Konzerte... nun ja - der 75-jährige Coleman ist auf seine Art ein Klassiker.
Der Klassiker kam mit einer ungewöhnlichen Besetzung. Coleman an Sax, Trompete und Violine steht gleich zwei Bassisten gegenüber und vor seinem Sohn der das Schlagzeug traktiert. Schon vor dem Konzert darf man feststellen, daß Denardo Coleman mit seinem Schlagzeug hinter einer schallisolierenden Plexiglas-Wand eingesperrt ist. Beruhigend, der Schlagzeug-Feind lehnt sich zurück. Die Furcht vor Denardo stellt sich im Verlauf des Konzerts aber als unbegründet heraus.
Die Hälfte des mäßig sachkundigen Publikums beklatscht den zufälligerweise daher kommenden Manager Ornette Colemans aber kurz darauf kommt der echte Coleman tatsächlich auf die Bühne. Er wirkt ein wenig fragil, altersdünn. Freundlich, gutgelaunt. Begrüßung und Ansage sind leider ins Mikrophon gehaucht oder schlicht nicht gescheit ausgesteuert.
Spannung bevor Coleman zum Altsax greift ...und Entspannung: ja, das ist der alte Coleman. Ein persönlicher Saxophonsound und eine Phrasierung die einmalig ist. So klingt kein anderer Saxofonist, vielleicht will kein anderer so spielen. Ein Personalstil, das Merkmal der wenigen, großen Jazzmusiker. Einer der Ender der 50er Jahre stilbildend war und im Jahr 2005 noch oder wieder der alte Coleman ist.
Natürlich spielen ihm die Lippen gelegentlich einen Streich und gelegentlich hört man eine Idee im Ansatz, die aus physischen Gründen nicht mehr wie gedacht verwirklicht werden kann. Aber selbst in diesem Fall hört man den Meister: blitzschnelles reagieren auf den ungewollten Kiekser oder dreckig getroffenen Ton. Und die Beschränkung auf das Machbare, das immer noch tausendmal origineller ist als alles was 90% der lebenden Saxophonisten aus ihren Instrumenten herauswürgen.
Die ungewöhnliche Besetzung mit zwei Bässen und das angenehm gedämpfte Schlagzeug schaffen den Background, der schon Ende der 50er Jahre Grundlage des Ornette Coleman Quartets war. Freie Linien, aufgebrochene Rhythmen. Fast etwas unauffällig aber für den Gruppen-Sound wichtig ist der meist gestrichene Bass von Tony Falanga. Greg Cohen dagegen spielt virtuos und erinnert sehr an den Originalbassisten von damals, Charlie Haden (der in anderer Formation noch bei Enjoy Jazz zu hören sein wird), mit seinen alerten, fast nervös wirkenden Basslinien. Er treibt zusammen mit Jung-Coleman am Schlagzeug die Musik voran und brilliert in seinen freien Soli mit Tempo, Witz und Entschlossenheit.
Der besondere Charme von Colemans Musik ist die Balance von Freiheit und Geschlossenheit. Vielleicht sollte man eher Freiheit und Schönheit sagen, denn nichts anderes schafft Coleman als Solist und als Alchimist des Quartetts.
PS: Für nächstes Jahr wünsche ich mir nun noch Sonny Rollins. Bitte.
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Das Urheberrecht an allen Fotos liegt bei Frank Schindelbeck
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2 Comments:
Hallo Frank Schnidelbeck,
ich kann Dir nur zustimmen. Ich hatte Ornette Coleman bis jetzt auch nur mit Prime-Time in den 80er Jahren gesehen. Es war eigentlich immer sehr anstrengend. Diesmal hatte ich zum ersten Mal den Eindruck, den "richtigen" Coleman zu hören.
Die Bilder sind klasse!
Gruß, Christoph
Übrigens: Für mich hat sein Quartett mit Dewey Redman, Charlie Haden und Ed Blackwell die "schärfste" Musik gemacht.
Immer wieder nur das klassische Quartett..als haette es nie Golden Circle, Song X, Sound Museum Three Women/Hidden Man gegeben... Zum Beispiel!
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