Enjoy Jazz: Gilad Atzmon & Oriental House Ensemble
"Liberating the american people" - so heißt das erste Stück von Gilad Atzmon und seinem Oriental House Ensemble im Konzert. Das "Star Sprangeld Banner", Phrasen von "A Love Supreme" gemischt mit Folklore aus dem Nahen Osten... Ist es palästensische Volksmusik oder israelische? Wahrscheinlich beides, denn Gilad Atzmon, der sich selbst einen "hebräischen Palästinenser" nennt, sieht sich nicht nur als Musiker sondern vor allem auch als homo politicus mit zugehöriger Botschaft.
So fand vor dem Konzert ein kurze Interview-Runde und eine Lesung seines just bei Nautlius erschienen Romans "My One And Only Love" statt. (Buchvorstellungen werden damit zur "kleinen" Tradition bei Enjoy Jazz - hat doch schon Sue Mingus im vergangen Jahr die Geschichte ihres Zusammenlebens mit dem Bassisten Charles Mingus vorgestellt.)
Im Kurz-Interview vor der Lesung erzählt Atzmon, wie er früher das "Shoah-Business" für sich ausnutzte. Kaum in der Lage drei Stücke auf der Klarinette zu spielen ging er bewußt auf den "Israeli-Bonus" spekulierend in Deutschland auf Tournee. Er spielte besser auf dem schlechten Gewissen des Publikums als auf seinem Instrument. Mangels künstlerischer Masse hätte es nur Schwierigkeiten bei den Zugaben gegeben. Vom damals gespielten Klezmer hält er heute nicht mehr viel, "schlecht gemachte Gipsy-Musik" sei das. Im Grunde eine Publikums-Verarschung.
Eine treffliche Beschimpfung eines Teil des Klezmer-Publikums. Jener Betroffenheitsfraktion, der jeder lang gezogene Klarinettenton die kollektive Schuld des gesamten deutschen Volkes ins ganz persönliche Mark der reinen politischen Gesinnung trifft. Trotzdem, die in manchen Kreisen derzeit hippe "ihr heutigen Deutschen seid blöd und lasst euch vom Shoah-Business ausnehmen-Einstellung" - die auch aus den vorgetragenen Zeilen des Buches trieft - ist auf ihre Art ebenso herzlich unsympathisch wie die reflexhafte Schuldbeladenheit der "spätgeborenen" Deutschen in Bezug auf die Nazivergangenheit.
Atzmon treibt letztlich nur eine andere Sau durchs mediale Dorf. Seine Konzertbesucher spricht er frei aber es schwingt doch immer mit: "...damit habt ihr jetzt aber die Verpflichtung auf meiner Seite zu stehen, Israel zu kritisieren und euch der Sache der Palästinenser anzunehmen." Nicht, daß dies ein unehrenhaftes Unterfangen wäre, aber letztlich spielt auch er, nur etwas subtiler, mit historischen deutschen Traumata.
Doch zur Musik:
Patchwork-Weltmusik
Das Konzert beginnt munter mit bekannten und beliebten Melodien - Versatzstücke und Zitate bestimmen den Abend. Dieses Spiel mit musikalischen Zitaten - überaus gern gespieltes Spiel im Jazz - treibt die Oriental Band besonders bunt. Vielleicht sollte die Gruppe besser Oriental Basar heißen, ist das musikalische Angebot doch überreichlich und changiert zwischem Melodiefetzen aus allen möglichen Genres.
Kurzweilig ist es, wenn ein als "Rucki Zucki" bekanntes Stückchen von Akkordeon und Geige angestimmt, von Schlageug, Klavier und Drums in die Zange genommen und letztlich zertrümmert wird, nur um Sekunden später zu einer mit Scat-Gesang veredelten Mackie Messer Version zu mutieren. Da wandelt sich "Peter und der Wolf" wundersam zur Gershwins "Rhapsody in Blue" ...ein musikalischer Flickenteppich. Verbunden durch rasant gespielte, orientalisch klingende Folklore.
Frank Harrison (p) kommt am Piano eher in seinen ruhigeren Solopassagen zur Geltung. Im vorherrschenden Powerplay der restlichen Gruppe stechen der überaus dynamische Bassist Yaron Stavi und der Geiger Fratila hervor...und Atzmon selbst, der besonders zu diesem Powerplay beiträgt. Gelegentlich ruht er sich auf ein paar trivialeren licks aus, im großen und ganzen sprüht er jedoch vor Einfällen und scheint die Ideen in seinen druckvollen Soli manchmal kaum bändigen zu können.
Für mich kam das Ende des Konzerts dann abrupt. Ein Schlagzeugsolo trieb mich davon. Ein "klassisches", von einem Fell- und Trommelfellklopper vor dem Herren. Den vermutlich rauschenden Solo-Beifall habe ich verpasst.
Kommentare bitte hier:
So fand vor dem Konzert ein kurze Interview-Runde und eine Lesung seines just bei Nautlius erschienen Romans "My One And Only Love" statt. (Buchvorstellungen werden damit zur "kleinen" Tradition bei Enjoy Jazz - hat doch schon Sue Mingus im vergangen Jahr die Geschichte ihres Zusammenlebens mit dem Bassisten Charles Mingus vorgestellt.)
Im Kurz-Interview vor der Lesung erzählt Atzmon, wie er früher das "Shoah-Business" für sich ausnutzte. Kaum in der Lage drei Stücke auf der Klarinette zu spielen ging er bewußt auf den "Israeli-Bonus" spekulierend in Deutschland auf Tournee. Er spielte besser auf dem schlechten Gewissen des Publikums als auf seinem Instrument. Mangels künstlerischer Masse hätte es nur Schwierigkeiten bei den Zugaben gegeben. Vom damals gespielten Klezmer hält er heute nicht mehr viel, "schlecht gemachte Gipsy-Musik" sei das. Im Grunde eine Publikums-Verarschung.
Eine treffliche Beschimpfung eines Teil des Klezmer-Publikums. Jener Betroffenheitsfraktion, der jeder lang gezogene Klarinettenton die kollektive Schuld des gesamten deutschen Volkes ins ganz persönliche Mark der reinen politischen Gesinnung trifft. Trotzdem, die in manchen Kreisen derzeit hippe "ihr heutigen Deutschen seid blöd und lasst euch vom Shoah-Business ausnehmen-Einstellung" - die auch aus den vorgetragenen Zeilen des Buches trieft - ist auf ihre Art ebenso herzlich unsympathisch wie die reflexhafte Schuldbeladenheit der "spätgeborenen" Deutschen in Bezug auf die Nazivergangenheit.
Atzmon treibt letztlich nur eine andere Sau durchs mediale Dorf. Seine Konzertbesucher spricht er frei aber es schwingt doch immer mit: "...damit habt ihr jetzt aber die Verpflichtung auf meiner Seite zu stehen, Israel zu kritisieren und euch der Sache der Palästinenser anzunehmen." Nicht, daß dies ein unehrenhaftes Unterfangen wäre, aber letztlich spielt auch er, nur etwas subtiler, mit historischen deutschen Traumata.
Doch zur Musik:
Patchwork-Weltmusik
Das Konzert beginnt munter mit bekannten und beliebten Melodien - Versatzstücke und Zitate bestimmen den Abend. Dieses Spiel mit musikalischen Zitaten - überaus gern gespieltes Spiel im Jazz - treibt die Oriental Band besonders bunt. Vielleicht sollte die Gruppe besser Oriental Basar heißen, ist das musikalische Angebot doch überreichlich und changiert zwischem Melodiefetzen aus allen möglichen Genres.
Kurzweilig ist es, wenn ein als "Rucki Zucki" bekanntes Stückchen von Akkordeon und Geige angestimmt, von Schlageug, Klavier und Drums in die Zange genommen und letztlich zertrümmert wird, nur um Sekunden später zu einer mit Scat-Gesang veredelten Mackie Messer Version zu mutieren. Da wandelt sich "Peter und der Wolf" wundersam zur Gershwins "Rhapsody in Blue" ...ein musikalischer Flickenteppich. Verbunden durch rasant gespielte, orientalisch klingende Folklore.
Frank Harrison (p) kommt am Piano eher in seinen ruhigeren Solopassagen zur Geltung. Im vorherrschenden Powerplay der restlichen Gruppe stechen der überaus dynamische Bassist Yaron Stavi und der Geiger Fratila hervor...und Atzmon selbst, der besonders zu diesem Powerplay beiträgt. Gelegentlich ruht er sich auf ein paar trivialeren licks aus, im großen und ganzen sprüht er jedoch vor Einfällen und scheint die Ideen in seinen druckvollen Soli manchmal kaum bändigen zu können.
Für mich kam das Ende des Konzerts dann abrupt. Ein Schlagzeugsolo trieb mich davon. Ein "klassisches", von einem Fell- und Trommelfellklopper vor dem Herren. Den vermutlich rauschenden Solo-Beifall habe ich verpasst.
Kommentare bitte hier:
1 Comments:
Nun noch einmal an der richtigen Stelle... ;-) - Klasse Kritik, Herr Schindelbeck!
"Für mich kam das Ende des Konzerts dann abrupt. Ein Schlagzeugsolo trieb mich davon. Ein klassisches, mit einem Fell- und Trommelfellklopper vor dem Herren. Den vermutlich rauschenden Solo-Beifall habe ich verpasst."
Der Applaus für das in der Tat miserable Rausschmeiss-Solo des Trommlers fiel ziemlich gering aus, was für das Publikum des Enjoy-Jazz-Festivals sprechen mag.
Mein Senf zum Atzmon-Konzert: Es gibt halt generell sympathische und unsympathische Musiker und beide können gute bzw. schlechte Musik darbieten... Und zu pseudopolitisch angehauchten Musikanten wie Atzmon fällt mir Brechts kleine Geschichte von Herrn K. ein: Ein Philosophieprofessor schwallt Herrn K. mit seinen Weisheiten zu und Herr K. sagt ihm: "... Ich sehe dich täppisch gehen, und es ist kein Ziel, das du, während ich dich gehen sehe, erreichst. ... Sehend deine Haltung, interessiert mich dein Ziel nicht."
Freue mich schon auf weitere Konzert-Kritiken von Ihnen, Herr Schindelbeck! ;-)
S. bzw St.
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