Archie Shepp: Soulman & African Roots
Archie Shepp & Dar Gnawa "Kindred Spirits" bei Enjoy Jazz
Liest man von Archie Shepp, dann stolpert man im ersten oder zweiten Satz über die Geschichte. Die Geschichte von Archie Shepp dem Freejazzer, dem "angry young professor", der mit seinem Saxophon gegen Rassentrennung aufschrie. Die Enjoy Jazz Hörer kennen Archie Shepp dagegen eher als älteren - ruhiger gewordenen - Herren, der schon im Jahr 2004 beim Festival auftrat - damals mit der Sängerin und Pianistin Amina Claudine Myers. Mit gleichem Anzug und Hut beehrte der Saxophonist und - mittlerweile gleichberechtigt zu nennen - Sänger auch Enjoy Jazz 2006. Mit dabei die Mitglieder seines aktuellen Quartetts: Tom McClung, p; Wayne Dockery, b; Steve McCraven, dr.
Musikalisch ist Shepp, das war schon vor zwei Jahren so, stärker denn je bei den authentischen Jazz-Wurzeln angekommen. Blues und Spirituals sind die ständig präsente musikalische Grundlage und Jazz der Vor-Free-Jazz-Zeit ist das musikalische Netz des ersten, vom Quartett allein bestrittenen Sets. Die Botschaft ist durchaus noch die Gleiche: Rassentrennung und Diskriminierung sind das Übel – nur ist der wütende Protest einer abgeklärteren Darstellung gewichen. Wenn Archie Shepp das seiner Großmutter – einer ehemaligen Sklavin - gewidmete „Revolution“ mit den Mitteln des originären Jazz darstellt, dann wird die bluesgesummte Melodie zu einer eindringlicheren Anklage als es wildes Proteströhren aus dem Saxophon je sein könnte.
Der alte didaktische Fuchs Shepp weiß es außerdem recht plastisch vorzuführen, wie Musik seiner Vorfahren gemacht werden musste. So bittet er Steve McCraven zu sich an den Rand der Bühne und der macht dann Musik mit dem einzigen Instrument, das Schwarzen Ende des vorletzten Jahrhunderts und zu Beginn des letzten eben zur Verfügung gestanden sei: dem eigenen Körper. „Human Beatbox“ nennt sich das in der modernen Variante, Napoleon Maddox hat es im letzten Jahr mit Roy Nathanson vorgemacht. Von Shepp und McCraven wird es als kleine Geschichtsminute und Rückschau auf den Beginn einer Musikrichtung aber letztlich auch einer gesellschaftlichen Entwicklung zelebriert.
Das zweite Set dann mit der marokkanischen Formation Dar Gnawa unter dem Titel „Kindred Spirits“. „Kindred Spirits“ darf man mit „Seelenverwandte“ übersetzen und diese Seelenverwandschaft zwischen Shepps Quartett und Shepp und dem Frontmann der Nordafrikaner, Maalem Abdellah El Gourd ist vorhanden.
Die Blues-Elemente Shepps, auf dem Saxophon und vor allem in seinem Gesang – der gelegentlich einmal in archaisches Schreien übergeht – spiegeln sich in der urwüchsigen Energie des Dar Gnawa Ensembles wider. Pharoah Sanders hat einmal auf einer seiner Stücke „Our Roots began in Africa“ gesungen und in dieser Begegnung zwischen Shepp und den marokkanischen Musikern treffen die afrikanischen Wurzeln und die Wurzeln der afro-amerikanischen Musik fruchtbar aufeinander.
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