Schindelbecks Jazz Blog

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Sonntag, Oktober 08, 2006

Klangzauberer auf dem Sofa

ECM Labelgründer Manfred Eicher Gast der ersten Enjoy Jazz Matinee





Es war eine Premiere am 8.10. in den Räumen des Enjoy Jazz Hauptsponsors SAS im Haarlass: die Enjoy Jazz Festival Matinee. An drei Sonntagen spielen Jazz und Anderes am späten Vormittag eine eher theoretische Rolle im Gespräch über Musik.

Die erste Veranstaltung unter dem Titel „Musik und Klang“ wartete mit einem prominenten Schwergewicht der Musikszene auf, dem ECM (
Edition of Contemporary Music) Labelgründer und –besitzer Manfred Eicher. Flankiert wurde der zentral auf einem Sofa plazierte Eicher von den Journalisten Wolfgang Sandner (FAZ) und seinem Kollegen von der Süddeutschen Zeitung Thomas Steinfeld. Die beiden Journalisten erweisen sich rasch als Weggefährten und Freunde von Manfred Eicher und aus dem geplanten Podiumsgespräch wird eine nette Plauderstunde. Eicher werden freundliche Fragen zugeworfen und er zeigt sich als der souveräne Labelchef der offen und mit offensichtlichem Spaß am Gespräch bereitwillig Auskunft zum Innenleben von ECM und zu seinem Ansatz als Musikproduzent gibt.

Eicher, von Haus aus selbst Musiker, gründete sein Label 1969 aus dem Gefühl heraus, daß allzuviele Jazzaufnahmen von eher mäßiger Aufnahmequalität waren. Damals sagte er sich: „das mache ich besser“ - und er tat es. Mit 16.000 DM Startkapital und den ersten Platten für das junge Label mit Keith Jarret, Chick Corea und weiteren Musikern aus dem Miles Davis Umfeld. „The most beautiful sound next to silence“ war und ist das ideale Klangbild, auf dessen Spur sich Manfred Eicher mit jeder produzierten Platte macht.

Das Konzept war erfolgreich und fast schlagartig wurden das Label und die produzierten Musiker bekannt und so wurde ECM in den nun annhähernd 40 Jahren seines Bestehens und mit fast 1.000 publizierten Aufnahmen zu einer erfolgreichen Institution, die für viele Musikliebhaber fast Kultcharakter hat. Ausnahmekünstler wie Keith Jarret oder Jan Garbarek wurden mit und durch Manfred Eicher bekannt und der perfekt produzierte ECM Sound genießt einen legendären Ruf.

Die Enjoy Jazz Matinee bot somit eine seltene Gelegenheit einen Blick hinter die Kulissen und in das Denken des Produzenten Manfred Eicher zu werfen. Das ist ungewöhnlich interessant, weil Eicher wie nur wenige seiner Zunft Einfluss auf den Produktionsprozess und die finale Erstellung des Produktes nimmt. Er ist bei praktisch jeder Aufnahme mit im Studio und greift dort entscheidend ins Geschehen ein. Eicher vergleicht seine Tätigkeit mit der eines Filmregisseurs: die Produktion wird von ihm als „Spiritus Rector“ begleitet und er ist derjenige, der auf optimale Aufnahme- und Klangbedingungen achtet. Dabei belässt es Eicher allerdings nicht. Er beansprucht für sich den „final cut“ der Aufnahme. Es ist seine Aufgabe die die optimale Abmischung vorzunehmen, die Anordnung der Stücke auf der CD zu bestimmen und letztlich liegt die die komplette Gestaltung bis hin zum Cover der fertigen CD in seiner Hand.

Den Erfolg und die Kontinuität des Labels führt er genau auf diesen Aspekt zurück und er grenzt sich in diesem Punkt ganz bewußt von vielen anderen Produzenten – „sogenannten Produzenten“, wie er sie nennt – ab, die mehr oder weniger nur Mikrofone aufstellen und sich ansonsten um die Produktion nicht mehr kümmern. Dabei gehe er rein an der Musik orientiert und intuitiv an die Projekte heran. Vertrauen zwischen Musikern und Produzent und das Gefühl für die Inhalte der Musik seien die entscheidenden Faktoren für die Produktion der ECM Aufnahmen und eine kontinuierlich erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Produzent und Künstler.

Eichers Ansichten, gewürzt mit vielen anekdotischen Erzählungen, wie zum Beispiel zur Entstehung des Klassikers „Köln Concert“ von Keith Jarret oder zu leider nicht entstandenen Aufnahmen – so wie die mit Miles Davis und Keith Jarret, die letztlich nur an vertraglichen Verpflichtungen von Miles Davis scheiterte – unterhielten und informierten die Matineebesucher prächtig. Die zeigten sich ausgesprochen interessiert und beteiligten sich mit sachkundigen Fragen – offensichtlich hatte sich an diesem Morgen ein Häufchen echter ECM-Freunde zusammengefunden.

Fazit: Enjoy Jazz funktioniert auch ohne klingende Töne: Ein gelungener Auftakt einer Reihe, die am 22.10 mit Christian Broecking (Musik und Politik) und Hans-Jürgen Linke zusammen mit Ekkehard Jost (Musik und Freiheit) fortgeführt wird.

Jeweils um 11 Uhr im SAS Institute, ÖPNV empfohlen, da wenig Parkplätze vorhanden = eigene Erfahrung.


Links:

www.enjoyjazz.de
www.ecmrecords.de