Schindelbecks Jazz Blog

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Sonntag, Oktober 30, 2005

Enjoy Jazz: Trio Joubran

Spartanisch ist die Bühne des Karlstorbahnhofs ausgestattet. Drei Stühle, drei Mikrophone, weißes Licht. Die Ansage diesmal mit einem Co-Moderator, der die Begrüßungs- und Ankündigungsworte ins Arabische übersetzte - eine nette Geste gegenüber einem großen Teil des Publikums.




Wieder einmal ein interessantes "anderes" Konzert im Rahmen von Enjoy Jazz: Drei Oud-Spieler, Brüder obendrein, versprachen ungewohnte Klänge.

Der Oud?

Der Oud ist eine Laute aus dem arabischen Raum, historisch über Jahrtausende belegt. Der Name "Laute" leitet sich direkt vom Wort "Oud" ab, was wiederum "Holz" bedeutet. Diese Namensgebung rührt vermutlich her vom Wechsel von fellbespannten Instrumenten zu Instrumeten mit der Holzdecke als Resonanzkörper. Damit ist der Oud die direkte "Mutter" der Gitarre - eine "schwangere" Gitarre - wie Samir Joubran mit Blick auf den typischen "Bauch" des Instruments augenzwinkernd erklärt.

Die Instrumente sind 5-doppelsaitig bespannt und haben bei den Gebrüdern Joubran noch eine (oder auch zwei?) zusätzliche Bass-Saite. Abgesehen vom akustischen Genuss ist auch die Optik der Instrumente spektakulär. Sie stammen aus der Werkstatt des Mitspielers Wassim Joubran und der ist familiär vorbelastet - ist doch der Vater der Musiker, Hatem Joubran, ein in der arabischen Welt hochgeschätzter Oud-Bauer.

Die besonderen Merkmale des Oud bestimmen auch die typischen Merkmale der Musik des Trio Joubran. Auf den bundlosen Instrumenten spielen sie Mikrointervalle (das gibt unter anderem der Musik den "arabischen" Touch), die in der abendländischen Musik weniger bekannt sind. Typisch sind auch die Glissandi-Effekte bei denen stufenlos die Tonhöhe variiert wird. Die Instrumente werden mit einem Plektrum gespielt. Nicht um - wie bei der Gitarre typisch - Akkorde zu schlagen, vielmehr schaffen die Musiker mit einem schnellen Auf- und Ab über die Saiten ein Tremolo, daß als Basis für Improvisationen der Mitspieler dient.


Traumwandlerisch vom ersten Ton an wirkte das Zusammenspiel des Brüder-Trios Joubran aus Ramallah in Palästina . Leicht theatralisch und bis in die Gesten hinein abgestimmt agierten die drei Musiker und ich vermochte beim besten Willen nicht zu unterscheiden, was hier tatsächlich improvisiert und was eingeübte Routine war. "Routine" ist ein fast zu abfälliger Begriff, denn bei aller Makellosigkeit des Zusammenspiels wirkt der Auftritt keine Sekunde lang in Routine erstarrt.

Virtuos werfen sich die drei Musiker Phrasen hin und her - "call and response": ein kurzer Blick zum Partner, das Thema wiederholt, umspielt, variiert und zurückgeschickt. Und dies in einem halsbrecherischen Tempo, das die Zuhörerschaft nur noch staunen lässt. Gitarrenfreunde dürften vermutlich an die grandiosen Trio-Aufnahmen von Paco de Lucia, John McLaughlin und Al Di Meola erinnert worden sein...

Natürlich können auch in diesem Konzert politische Anklänge nicht ausbleiben. Doch im Gegensatz zu platter politischer Agitation, die man bei Enjoy Jazz 2005 auch schon erleben musste, wirken die kurzen Bemerkungen Jassim Joubrans eher moderat. Ohne offene Beschuldigungen auf die problematische Situation von Ramallah hinzuweisen und die Hoffnung auf Veränderungen zu formulieren wirkt sympathisch und authentisch. Das Trio Joubran konnte jedenfalls durch sein Auftreten und seine musikalische Brillianz überzeugen und weckte nicht zuletzt auf diesem Wege Sympathien auch für das politische Anliegen.

Ein durchweg begeistertes Publikum entließ das Trio erst nach drei Zugaben.


Die Foto-Galerie des Konzertes ist online.


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