Schindelbecks Jazz Blog

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Sonntag, November 06, 2005

Enjoy Jazz: Thomas Siffling & Public Sound Office



Thomas Siffling zum Zweiten bei Enjoy Jazz. Am 3.11. fand ein Doppelkonzert im Karlstorbahnhof statt. Siffling stellte seine neue CD mit Public Sound Office vor und vorab spielte das Ensemble du Verre aus Hamburg.

Das waren gleich zwei Premieren, denn das Ensemble du Verre spielte an diesem Abend zum ersten mal live auf der Bühne. Pech, denn das Publikum war unverschämt laut und ab der fünften Reihe auch leidlich uninteressiert an der "Vorgruppe".

Dabei spielten die vier MusikerInnen von EDV durchaus groovige Großstadtmusik mit Britta-Ann Flechsenhaars (elektronisch bearbeiteten) Vocals. Wenn auch vorher der Funke teilweise nicht recht überspringen wollte, erreichte das furiose "Fast" als Schlusspunkt dann doch den größten Teil des Publikums. Hier glänzte vor allem Claas Überschär an der Trompete mit einem heftigen Solo.

Für Thomas Siffling und PSO war die CD-Release Party ein schon vorab gewonnenes Heimspiel. Mit 2 DJs (CMB, Tobi Schirmann) einem VJ (verflixt, den Namen vergessen - gut war er aber), dem großartigen Bernhard Sperrfechter an der Gitarre, Christoph Dangelmaier am Bass und Jogi Weiss an den drums zeigte Siffling mühelos, daß er sich auch in einem Umfeld von ...tja, wie soll man diesen Mix bennen? Anteile von Dancefloor Jazz, spätem Miles, Nu-Jazz, Downbeat - moderne Unterhaltungsmusik mit Jazz halt ;-)

Passt sein elektronisch verfremdetes Trompetenspiel schon erstaunlich gut in sein "klassisches" Trio mit Jens Loh und Thomas Faller; hier, in diesem Umfeld ist es endgültig zuhause. Er setzt die dramatischen Akzente in abgefahrenen Solo-Eskapaden oder auch die sanfteren Töne auf dem Flügelhorn in den chill-out Passagen.

Zweiter Mann der Gruppe ist ganz klar Bernhard Sperrfechter, den man auch als sensiblen Begleiter von Jutta Glaser kennt. Seine E-Gitarre ergänzt, umspielt und gibt manchmal geradezu ruppige Riffs als Vorgabe für die Mitspieler.

Sound und Rhythmus der Gruppe werden stärker von den zwei im Hintergrund agierenden DJs bestimmt als es auf Anhieb auffällt. Spätestens wenn ein konsequent gescratchtes Solo ganz organisch in die Musik einfließt, wird klar wie essentiell und bestimmend der DJ-Anteil in der Gruppe ist.

Eine runde Sache, ein begeistert aufgenommenes Konzert, ein Publikum, das wach gespielt nach Mitternacht nach Hause entlassen wurde.

Website von Public Sound Office
Website von Thomas Siffling


FOTO - GALERIE DES KONZERTES IM KARLSTORBAHNHOF

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CD: Hofmann / Wangenheim / Schönborn: Inside

Im Forschungsreaktor fr2 in Karlsruhe nahmen die drei Musiker Tobias Hofmann (tp,flgh,e-gitarre,e-piano), Ulrich Wangenheim (fl, sxs) und Olaf Schönborn (ss,as) die CD "Inside" auf. Unterstützt bei einigen Stücken von einem Streichquartet (Andrea Göpfert, viol / Steffen Hamm, viol / Michael Fenton, viola / Wolfgang Kursawe, cello) und Jan Ingenhaag als Percussionisten.

Natürlich erinnert das jeden, der die Platte kennt, an das - vom Aufnahmeort her gesehen natürlich politisch korrektere - Werk "Vor der Flut". Damals hatten einige Jazzgrößen in einem Wasserspeicher mit einer sensationellen Akustik schon mit Sound und Raum gespielt.

Die akustischen Bedingungen sind im Reaktor ähnlich, wenn auch nicht ganz so spektakulär. Immerhin 13 Sekunden hallt der Klang in dem hohen runden Raum nach. Kein Wunder, daß Tobi Hofmann sich darum bemühte dort Musik einzuspielen. Die Musiker hatten nur wenige notierte Phrasen in die graue Halle getragen - eingespielt wurde die Improvisation im Raum.

Ein herausfordernder Raumklang, verleitend zum Spiel mit weit gespannten Bögen in nuancierten Klangfarben. Die Musik ist nicht allein vom Umgang mit den außergewöhnlichen akustischen Bedingungen geprägt sondern reagiert auch auf die Funktion des Gebäudes. Ein Titel wie "Dunkelunten" der mit Wasser, "waterphone" und "Reaktorplatten" als Percussion eingespielt wird, drückt das reine Gefühl des Unbehagens gegenüber Kernenergie subtiler aus als Worte das könnten und im nachfolgenden "Böser Traum" wird die Katastrophe eines "was wäre wenn" schon einmal akustisch vorweggenommen.

So eindeutig werde die "dunklen Seiten" des Reaktors aber selten musikalisch greifbar. Typischer sind die leicht melancholischen, mit Respekt vor dem Raum entworfenen Klanggemälde. Oft nur auf einfachen patterns basierend, mit einem Ostinato Thema unterlegt, reflektieren sie auf überzeugende Weise den umgebenden Raum und sind gleichermaßen seine authentische Beschreibung.

Eine schöne Platte. Auch wegen der gelungenen Schwarz-Weiß-Fotografie und dem Layout der CD von Jan Ingenhaag. Das sähe man gern größer - wieder einmal ein Grund dem LP-Format nachzutrauern.

Die Platte ist bei Rodenstein Records erschienen


[Am Rande: Mir persönlich gefällt besonders gut "Movement 2", eingespielt vom Streichquartett mit Olaf Schönborn am Saxophon. Vielleicht, weil es mich von der Grundstimmung her an die Schlußszene eines meiner Lieblingsfilme "12 Monkeys" erinnert]


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